Dienstag, 2. August 2016

The End

Seit zwei Wochen bin ich nun wieder zurück zu Hause und ich habe euch noch einen letzten Blogeintrag versprochen. Hier ist er also. Allerdings doch ein bisschen anders, als anfangs geplant. Denn zurück in Deutschland möchte ich noch ein paar mehr Unterschiede zwischen den Niederlanden und Deutschland aufgreifen, die mir in den letzten Woche aufgefallen sind.


Was ich euch auf jeden Fall erzählen wollte ist, dass ich während meiner Zeit in den Niederlanden immer wieder das Gefühl hatte, dass die Niederländer mehr Kreativität als die Deutschen zeigen.
Kleischuur in Gouda
Zum Beispiel wenn es um Cafés geht. Ich hab in den Niederlanden in so vielen schöne Cafés oder auch Restaurants gesessen, die alle ihren eigenen individuellen Flair hatten. Ich war von vielen dieser Orte sehr beeindruckt, weil sie mit viel Liebe errichtet wurden und jeder hatte so sein eigenes unverwechselbares Konzept. Zum Beispiel (Achtung, es folgen Geheimtipps) gab es in Gouda den „Kleischuur“, die „Chocoladefabriek“, die „Koffiefabriek“ oder das „Juuls“. Wobei der „Kleischuur“ eine alte Scheune ist, die relativ versteckt liegt und von außen auch nicht wirklich einladend wirkt. Von innen allerdings, ist die Scheune wunderschön ausgebaut, total gemütlich und hat eine riesige Glasfront, die direkt auf eine Gracht zeigt. Man kann auch draußen sitzen und einen lekkeren Chai Latte (die haben den Besten!), eine heiße Schokolade aus richtiger Schokolade oder den lekkersten vegetarischen Burger weit und breit genießen. Die „Chocoladefabriek“ ist ein sehr süßes Café inmitten der Goudsen Bibliothek, einfach super mit Büchern um sich herum einen Tee zu trinken oder verrückten grünen Kuchen mit Geheimzutaten zu essen. 
Das besondere an der „Koffiefabriek“ ist, dass man sich in eine Sitzecke mit fancy Sofas an einen Couchtisch setzen kann und in den Schubladen des Couchtischs befinden sich jede Menge Gesellschaftsspiele. Coole Idee, vor allem in Zeiten des „HeadDown“ - Virus'.
Beim Juuls handelt es sich, wie sicher schon erwähnt um ein Lunchcafé, in dem Menschen mit Behinderung arbeiten. Aber auch dieser Ort ist total liebevoll und mit ganz eigenem Konzept gebaut. In Nijmegen sind wir an einem super coolen Café vorbei gelaufen, in dem jede Menge Bücherregale mit Büchern standen. Man konnte sich dort also einfach zum Lesen ins Café setzen und musste nicht einmal ein Buch mitbringen. Auch eine sehr individuelle und kreative Sache. Weiterhin habe ich in Rotterdam und Nijmegen ein „Pannenkoekenboot“ gesehen. Wie cool (und unglaublich unnötig touristisch) ist das denn! Pfannkuchen essen und gleichzeitig eine Rundfahrt auf dem Wasser! Cafés / Restaurants auf dem Wasser (gab's eigentlich in fast jeder Stadt) finde ich sowieso total super!

Es sind aber nicht nur die Cafés / Restaurant, die so einzigartig sind. Auch viele Geschäfte sind so. Besonders in Nijmegen und Utrecht bin ich über tolle einzigartige „Winkels“ (Läden/ Geschäfte) gestoßen. Zum Beispiel konnte man in Utrecht in einem Winkel massenweise Gesellschaftsspiele kaufen, der Laden war aber durch Regale, die nicht gerade, sondern schief aufeinander standen total cool ein eigerichtet bzw aufgebaut. Das sah einfach richtig gut aus. Ein weiterer Laden, über den ich in Utrecht gestolpert bin, war ein Schmuckgeschäft. Kein herkömmliches, sondern eines, in dem man vor Ort Ketten, Armbänder uvm direkt selbst machen konnte. Dabei waren Millionen kleine Perlen in verschiedene alte Schubladen einsortiert. In Nijmegen gab es ein Geschäft, das sich komplett auf die Farbe Türkis konzentriert hat. Das war schon von außen total türkis. Außerdem haben wir in Den Haag den wahrscheinlichst coolsten Buchladen überhaupt gefunden. Er konzentriert sich voll und ganz auf das Thema „Reisen“ und der Inhaber hat jedes Buch, das er in seinem Laden verkauft auch selbst gelesen. Er ist total freundlich und auch er hat ein schönes Konzept hinter seinem „winkeltje“. Als ich dort ein Geburtstagsgeschenk (für jemanden, der die Tage noch Geburtstag hat) gekauft habe, hat er es in braunes Geschenkpapier verpackt, ein Döschen mit verschiedensten Briefmarken geöffnet, eine Briefmarke auf das Geschenk geklebt und dann noch den (Post-) Stempel seines Buchladen auf das „Paket“ gedrückt. Anschließend band er noch eine braune Kordel herum und fertig war das Buchpaket versendet aus den USA in einem alten Film.

Ich habe in Deutschland bisher kaum Geschäfte oder Cafés gefunden, die so einzigartig und durchdacht, so kreativ umgesetzt und so wunderbar waren wie jene in den Niederlanden. Allerdings habe ich mir vorgenommen, da mehr drauf zu achten, denn vielleicht habe ich ja auch nur einen getrübten Blick, weil ich hier immer bin und nicht auf solch besondere Dinge achte. Aber wenn ich versuche, mir alles hier in Erinnerung zu rufen, dann sind besondere Cafés höchstens mal moderner als andere eingerichtet. Das war's dann auch.

"Kinder, die Springen werden an den
Zirkus verkauft." (Chocoladefabriek)
Was in den Niederlanden aber ganz sicher anders ist, ist die Tatsache, dass es dort noch viele kleine Geschäfte in Fußgängerzonen gibt. Utrecht und Nijmegen (sind gerade wohl meine Vorzeigebeispiele) sind voll von kleinen Einzelgeschäften, selbst in Amsterdam gibt es viele kleine Geschäfte, in Den Haag vielleicht weniger, Den Haag ist aber auch nicht gerade eine Stadt, in die kleine Dinge passen würden, aber auch hier gibt es immerhin eine Fußgängerzone mit Geschäften in der Innenstadt. Vor allem bei mir in der Stadt, aber auch in anderen Städten im Umkreis, sterben viele Geschäfte in den kleinen Sträßchen aus und werden durch riesige Einkaufszentren ersetzt, in denen meistens irgendwelche Ketten ihr Unwesen treiben und alles und jeden vertreiben. Ich finde es richtig traurig, immer wieder zu sehen, dass Menschen doch noch einmal versuchen, ein neues Geschäft in der Fußgängerzone der Innenstadt zu eröffnen, aber doch immer wieder dran scheitern. Außerdem fürchte ich um meinen Lieblings-Sushi Laden, weil er eben genau an diesem Ort steht und auch um diesen wundervollen Schreibwarenladen, in dem ich all meine Malsachen kaufen kann, der aber nie wirklich gut besucht aussieht. Ich weiß nicht, wie es den Menschen in den Niederlanden geht und ich bin mir sicher, das so manche kleine Geschäfte auch von irgendwelchen Ketten vertrieben werden, dennoch bin ich sicher, dass es noch nicht so schlimm ist, wie in Deutschland.

Eine Sache, die mir erst aufgefallen ist, als ich wieder zurück kam war, dass „Online-Shopping“ auch zum Problem „kleine Geschäfte verschwinden“ beitragen. In den Niederlanden kann man auf Amazon anscheinend nur Ebooks kaufen. Anfangs hat mich das verwirrt, ich wunderte mich, wo die Niederländer all ihre Dinge her bekamen (ich habe nie exzessiv im Internet eingekauft, aber ab und an ist ein Buch, eine DVD oder ein Handy im Internet dann doch günstiger, als im Laden), inzwischen weiß ich, dass sie zwar auch teilweise im Internet bestellen, aber ich bin mir sicher, dass das noch nicht so extrem ist, wie bei uns. Und ich wünsche ihnen, dass es sich nicht so entwickelt, wie bei uns. Dass sie die kleinen Geschäfte und die Einzigartigkeit ihrer Cafés und damit auch die „gezelligheid“ noch lange behalten.

„Wo anders ist es immer besser.“ Wir Menschen sind einfach nie zufrieden. Irgendwie liegt es in unserer Natur, Mängel aufzudecken und zu benennen. Ich werde jetzt nicht davon sterben, dass weder die Niederlande, noch Deutschland perfekt sind, dennoch ist es komisch, was einem so auffällt, wenn man so lange weg war. In den Niederlanden habe ich immer die Natur, wilde Tiere, Hügel und (Wein-) Berge und generell unsere Landschaft vermisst. Auch wenn die Niederlande wunderschön sind, war ich es doch nicht gewohnt, bei jeder Zugfahrt ewig weit in die Ferne schauen zu können. Jetzt fehlt mir das Wasser und der See um die Ecke. Deutsches Brot, Brezeln, Knödel, ordentliche Bratwurst, Flammkuchen, wie habe ich es vermisst, als ich noch in den Niederlanden gewohnt habe. Und jetzt? Wo sind meine Pfannkuchen / Pfannkuchenrestaurants, Sirup für über die Pfannkuchen, frischer Orangensaft aus dem Supermarkt (so richtig guten, frisch gepressten O-Saft, für den ich auch gerne mal etwas mehr gezahlt habe, habe ich bisher in keinem deutschen Supermarkt gefunden) oder der Joghurt aus dem Tetrapack?

Pfannkuchen in der
Reeuwijksen Hout
Auch wenn es mich immer genervt hat, dass ich so oft etwas bestimmtes gesucht habe (z. B. Lamy Tintenpatronen) und nicht wusste, wo ich es kaufen kann, vermisse ich die niederländischen Geschäfte. Auch fehlen mir die freundlichen Menschen, die dir einfach immer -egal, wie weit weg du noch bist- die Tür aufhalten. Wie sehr habe ich mir dort einen günstigen deutschen Supermarkt gewünscht. Ein Supermarkt, in dem ich auch genau weiß, dass der Milchreis nicht „Dessert rijst“ heißt und dann doch plötzlich eine andere Konsistenz hat, dass ich gerade die richtige „Salsa“ für den Takko-Salat kaufe und in dem ich „Funny Frisch Ungarisch“-Chips finde.
Und jetzt? Jetzt wünsche ich mir einen Albert Hijn, in dem man zuschauen kann, wie das Sushi frisch gemacht wird und anschließend im Kühlregal steht, in dem die Reismilch irgendwie besser schmeckt, in dem man sich einen frischen O-Saft selbst pressen kann, oder diesen ebenfalls frischen leckeren Apfel, Himbeere Saft aus dem Kühlregal kaufen kann. Für etwas mehr Geld, aber die Qualität ist es mir dann wert.

Aber am aller schlimmsten ist unsere Infrastruktur. In den Niederlanden gibt es super Fahrradwege, perfekt ausgebaute Straßen und Autobahnen und vergleichsweise günstige Zugangebote. Die Züge fuhren oft, auch die Busse in kleinen Käffern fuhren oft genug und man kam einfach von a nach b.
Die deutsche Bahn ist abnormal teuer, wenn man nicht gerade das Glück hat, als Schüler oder Student ein Maxx- oder Semesterticket zu besitzen. Auf Straßen und Autobahnen sind permanent Baustellen und trotzdem noch immer überall Schlaglöcher. Fahrradwege sind meistens holprige Feldwege.

Aber nochmal zurück zu den Supermärkten. Aldi hat sich während ich weg war ja total verändert. Sie haben damit schon angefangen, bevor ich ging, allerdings haben sie sich in den letzten 11 Monaten dann doch noch einiges dazu einfallen lassen. Man muss ja wettbewerbsfähig bleiben. Nicht nur, dass man bei Aldi jetzt einige Markenartikel kaufen kann, bei meinem letzten Einkauf viel mir auf, dass man dort inzwischen sogar sein Handyguthaben für andere Anbieter (Lebara, Lyca, etc), als nur Medion Mobile aufladen kann. Es war ja schon ein großer Schritt, dass ALDI plötzlich Marken verkauft, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie auch noch Guthaben für andere Prepaidanbieter verkaufen würden. Was sie natürlich sehr clever gemacht haben sind die kleinen Orangensaft Trinkpäckchen, sowie die einzelnen Schokoriegel etc, die sich mittlerweile direkt an der Kasse befinden. Dass man auch noch schön auf die Idee kommt, man habe plötzlich durst und brauche jetzt unbedingt so einen kleinen Orangensaft. Er ist ja auch überhaupt nicht teuer. Clever, clever.

Okay, Deutschland ist schön und die Niederlande sind schön und ich würde am liebsten ein Leben in beiden Ländern führen, aber ich habe nach diesem Jahr auf jeden Fall das Gefühl, dass die Niederländer bewusster leben, als wir es tun.

Auf jeden Fall war es spannend, eine oberflächlich so ähnliche, aber tiefer gelegen so andere Kultur, die in unserer Nachbarschaft liegt, fast ein Jahr lang kennen zu lernen. Auch wenn das super kitschig klingt, bin ich sicher, dass die Niederlande immer ein Teil von mir bleiben wird, dass ich noch oft zurückkehren werde und auch einiges mit in mein deutsches zu Hause nehme.

Trotz all der schlechten Geschehnisse der vergangenen 11 Monate bin ich froh, den Friedensdienst gemacht zu haben und viel gelernt zu haben.


Nijmegen


Das war's dann. Ciao Leute und danke für's lesen!